Im SoBli Magazin hat Sibylle Berg letzte Woche über den "gecremten Mann" geschrieben. Hier meine Replik von dieser Woche.
Liebe Sibylle Berg, das ist ja mal wieder typisch! Wenn Euch Frauen langweilig wird, habt Ihr nichts Besseres zu tun, als Euch Gedanken um uns Männer zu machen. Und – ehrlich gesagt – ein bisschen mögen wir Kerle das ja auch. Wir finden es süß, wenn Ihr Euch beim Latte Macchiato auf den Zürcher „Terrassen“ über die Bett-Qualitäten Eurer Lebenspartner austauscht, von George Clooney schwärmt, Unterwäsche debattiert und die vorbeiziehenden Männer mit Schulnoten bewertet: „Schau mal, den süßen Knackarsch“, „Den würde ich auch nicht von der Bettkante...“ Und so weiter.
Aber, liebe Sibylle Berg – dass sie nun im SoBli-Magazin pauschal behaupten, dass der neue Mann gecremt sei und ein Weichei, und noch mehr, dass Ihr aufgeklärten Frauen darüber nur schmunzeln könnt, das halte ich, gelinde gesagt, für eine typisch weibliche – und deshalb natürlich falsche - Analyse. Sie verrät nichts anderes als die Tatsache, wie verloren Ihr selbst seid. Und wie verklemmt Ihr noch immer mit den Nachwirkungen der so genannten Emanzipation umgeht. Dass Ihr Eure Rolle zwischen Macho-Frau und Heimchen noch immer nicht gefunden habt. Und dass Ihr in einer gigantischen Geschlechter-Depression steckt, weil Ihr von Euch selbst erwartet, besser zu sein als wir Kerle! Ja, da kann man als Mann fast ein bisschen Mitleid mit Euch Frauen bekommen.
Natürlich, liebe Sibylle Berg, Sie rechnen zu Recht vor, dass „google“ unter dem Stichwort „Männer und Weichei“ 524.000 Einträge findet. Aber, mit Verlaub, unter den Schlagwörtern „Frauen und Handtaschen“ komme ich auf 10 Millionen Beiträge! Und bei „Frau und Shoppen“ sogar auf 287 Millionen. Eine aktuelle Statistik hat herausgefunden, dass Ihr Frauen 76 Tage Eures Lebens damit verbringt, in Handtaschen zu wühlen und acht Jahre mit Einkäufen verplempert. 100 Stunden im Jahr verbringt ihr allein damit, Kleidung zu shoppen, 40 Stunden sucht Ihr nach Schuhen und 29 Stunden seid Ihr auf der Suche nach Accessoires. Da lehnt sich der glücklich gecremte Mann etwas verwirrt in den Pedeküre-Stuhl zurück und fragt sich, was Ihr in den Boutiquen alles so kompensiert.
Einen Hinweis, wo Euch der Schuh drückt, habe ich neulich von einer befreundeten Therapeutin bekommen. Sie glaubt, dass der neue Woody Allen weiblich ist. Das der Großstadtneurotiker in Wahrheit eine Großstadtneurotikerin ist. Während wir Männer unseren Liebesummer und unsere Alltagssorgen noch immer archaisch mit einer Dose Bier oder einem guten Spiel der Grashopper vergessen, stürmt Ihr die Schweizer Psychologen-Kabinette. Meine Freundin hat erzählt, dass es modern geworden ist, dass Frauen sich neben einem Private-Trainer auch einen Privat-Therapeuten leisten, um sich über die Dinge auszutauschen, die früher an den Kränzchen-Tischen verhandelt wurden: Liebeskummer, Beziehungsprobleme und Selbstfindungsprozesse. Der Ansturm soll so groß sein, dass meine Freundin kaum noch Termine für die wirklich existenziellen Fälle hat. Als Chauvie könnte ich nun sagen, die Frau von Heute legt sich eben lieber auf die Couch als ins Bett. Als gesitteter, gut gecremter Mann lasse ich das aber lieber bleiben und übe mich in Fürsorge.
Im Ernst: die Frau von heute scheint den Überblick in der Handtasche ihrer Seele verloren zu haben. Und oft fällt ihr nichts besseres ein, als über den glücklich gecremten Mann herzuziehen und sich gleichzeitig den Kerl von früher zurück zu wünschen, der sich mit einer Dose Bier vor der Glotze in den Schritt gefasst hat. Unausgesprochen bleibt dabei, dass sie ihn in Wirklichkeit nie anfassen würde.
Die neue Frau, liebe Sibylle Berg, ist die verlorene Frau. Und während der Mann sich entspannt die Brusthaare wachsen oder waxen lässt, empfindet er Mitleid mit Euch. Auf der einen Seite träumt Ihr von George Clooney und Brad Pitt, auf der anderen ersehnt ihr den archaischen Steinzeitmenschen – und am Ende macht Ihr Euch über den modernen Mann lustig, der seinen Dreitagebart mit liebe stutzt. Ja, bitteschön, was wollt Ihr denn?
Überall wo man hinschaut, seid Ihr zerrissen: Auf der einen Seite seid ihr oversexed, redet untereinander über Body-Maße, Liebespraktiken und habt die alten Tupper-Parties längst gegen Lust-Toy-Parties eingetauscht. Auf der anderen Seite seid ihr so prüde wie Schneewittchen. Tatsache ist: 89 Prozent aller Mädchen ab 14 Jahren schauen Sexfilme, und in Internetforen gehen mindestens so viele Frauen wie Männer auf die Suche nach einer Affäre. Aber nach Außen gebt ihr Euch noch immer gern als Untouchables, als Unberührbare. Unsere Lust ist das letzte Stück Macht, das Euch geblieben ist.
Begonnen hat all das mit der so genannten Emanzipation. Die Frau von heute hat sich das Recht erkämpft, alles sein zu können – und obwohl Ihr von Euch behauptet, multitaskingfähig zu sein, fällt es Euch in Wirklichkeit schwer, Euch zwischen Alice Schwarzer und Charlotte Roche zu positionieren, zwischen ausgetrockneten Landschaften und aufgesetzten Feuchtgebieten. Zwischen Angela Merkel und Uschi Glas, zwischen Manager-Lady und Familienmutter. Zwischen Magesrsucht-Model und dem neuen Slogan „Kurven sind geil“, zwischen „Playboy“ und „Brigitte“ – die Frauenzeitschrift nimmt seit Jahren ausschließlich Hausfrauen als Models. Die Hälfte von Euch ist für Frauenquoten, die andere dagegen. Was ich sagen will ist, dass Ihr, liebe Frauen, nur in Extremen lebt. Und dass die Extreme dummerweise unvereinbar sind. Nie habt Ihr Frauen so selbstbewusst getan wie heute – und nie wart ihr so verunsichert wie jetzt.
Manchmal gibt es für Euch nichts Wichtigeres als Heim und Herd, dann schiebt Ihr stolz Eure “Bogaboo“-Kinderwagen an der Seepromenade spazieren und schneidet Apfelstücke für die Tupperdose. Dann wieder tut Ihr so, als könntet ihr ganz ohne Kerle glücklich werden: 29 Prozent der Frauen finden das Gefühl, wieder in die enge Jeans von früher zu passen, besser als Sex. Und während Ihr Euch im SoBli-Magazin über unsere neuen, auf den Millimeter getrimmten Dreitagebärte lustig macht, findet Ihr uns, wenn Ihr ehrlich seid, doch ziemlich toll. Dummerweise würdet Ihr das nie so sagen. Während wir schon mit einem Blick klar machen, dass wir nicht ohne Euch leben wollen, dass wir Euch begehren, versteckt Ihr Eure natürliche Zuneigung am liebsten unter einer Maske von Mascada und Lippenstift. Ihr tunt Eure Körper so akribisch wie wir vor 20 Jahren unsere Opel-Mantas getunet haben – aber wir sind damit wenigstens auf der Autobahn gefahren! Ihr sitzt mit Euren roten Lippen im Café, pusht eure Busen hoch und Eure Hintern flach, plaudert untereinander über Sexphantasien und flüchtet, wenn es ernst wird, in irgendwelche Ausreden - oder in Spott über unser Geschlecht. Ihr spielt „Sex and the City“ und vergesst, dass wir Männer darüber nur lachen können. Früher habt Ihr Euch noch hingegeben – heute werft Ihr Euch weg.
Ja, früher waren Frauen für uns Männer noch Idole: Wir haben Marilyn Monroe und Hildegard Knef, Ursula Andress und später Pamela Anderson (ja, auch Männer irren zuweilen!) verehrt – weil sie Charaktere waren. Weil sie keinen Hehl aus Ihrer Schönheit gemacht haben. Und aus ihrer Liebe zu uns. Weil sie sich John F. Kennedy oder James Bond ohne mit den Wimpern zu zucken hingegeben haben. Heute ist die Sache etwas komplizierter geworden. Es reicht nicht mehr, dass ein Mann und eine Frau einander einfach nur begehren – es muss ausgiebig geflirtet, zugehört und verstanden werden, bevor etwas passiert. Der Weg ins Bett führt durch das Kinderzimmer und die Küche. Die Frau spült den Mann weich, bevor er sich endlich müde niederlegen darf. Wir gehen den Weg trotzdem. Obwohl wir wissen, dass ihr ihn nur vorschlagt, um Euer Image sauber zu halten. Und dass, wenn es dunkel ist, die Regeln heimlich geändert werden.
Sie, liebe Sibylle Berg, behaupten zu Recht, dass der neue Mann sich selbständig zu dem entwickelt hat, was er heute ist. Dass eine evolutionäre Selbsterkenntnis zu mehr Körperpflege geführt hat und nicht die Erwartungen der Frauen. Und es würde vielleicht schon helfen, wenn Ihr Frauen Euch auch mal ohne Blick auf uns entwickelt, als eigenständige, wirklich selbstbewusste Art des homo sapiens.
Die Wirklichkeit sieht allerdings anders aus. Denn Ihr nehmt uns – entgegen all eurer Sebstbewust-Tuerei – eben doch ernster als man uns Männer nehmen sollte. Natürlich will der Mann sowohl die Heilige als auch die Hure, die Mutter und den Vamp, die selbständige Geschäftsfrau und die heimische Haushaltshilfe. Eine Frau, die mit dem Staubsauger ebenso gut umgehen kann wie mit unseren erogenen Zonen. Eben: eine eierlegende Wollmilchsau. Aber, liebe Frauen, glaubt Ihr wirklich, dass wir so dumm sind und denken, diese Frau würde es im wahren Leben geben?
Am Ende sind wir Männer doch ganz einfach gestrickt: Wir lieben die Frauen, die so sind wie sie sind. Aber von denen gibt es leider immer weniger. Stattdessen treffen wir in Cafés, Diskos und am Arbeitsplatz weibliche Wesen, die von ich behaupten alles zu sein – und sich am Ende als Nichts entpuppen. Die Frau von Heute ist ein gigantisches „Als-ob“, und man weiß oft nicht, ob man neben dem selben Wesen aufwacht, neben dem man eingeschlafen ist.
Aber Ihr Frauen, liebe Sibylle Berg, scheint gar nicht einzusehen, dass die Phantasie das Eine und die Wirklichkeit etwas anderes ist, dass Ihr Eure Ansprüche vielleicht auch ein bisschen herunterschrauben müsst. Dass eine Mischung aus Clint Eastwood, Robert Pattinson, Winnetou, Peter Sloterdijk und Ernest Hemingway selbst unter uns Männern eher selten ist. Und dass, sollte es diese Kerle tatsächlich geben, sie eher zu Angelina Jolie gehen als zu Euch. Wir haben es längst aufgegeben, uns dem Diktat, alles sein zu müssen, zu beugen und finden, dass wir der Mr.Right sind, wenn wir uns richtig finden. Rasiert, unrasiert, sportlich oder fett ...
Damit keine Missverständnisse aufkommen, wir Männer sind sicherlich nicht besser als Ihr. Aber vielleicht sind wir evolutionsbiologisch etwas weiter. Mann und Frau begegnen einander wie das Christentum und andere, jüngere Religionen. Die Christen haben in ihrer über 2.000jährigen Geschichte viele Fehler gemacht, Millionen Menschen getötet – aber langsam erkennen sie, dass der Einklang mit sich selbst und der Verzicht auf Gewalt ein besserer Weg ist, um ans Ziel zu kommen. Ja, dass wir eigentlich alle dem gleichen Gott frönen. Andere Religionen wollen noch immer heilige Kriege führen. Ihr, liebe Frauen, kämpft Euren emanzipatorischen Dschihad zwar mit den modernen Waffen des Weibes, aber dummerweise gegen Windmühlenflügel. Und leider gibt es nur wenig Hoffnung.
Mit Sorge beobachte ich, wie selbst junge Mädchen sich inzwischen aufgeben. Wenn ich die Bilder der Schulfreundinnen meiner 13jährigen Tochter auf Facebook anschaue, möchte ich sie am liebsten rütteln und schütteln! Da himmeln sie irgendwelche pickeligen Kerle an, präsentieren sich mit so wenig Klamotten wie möglich und so viel wie nötig. Ganz so, als wäre Alice Schwarzer für sie der Name einer Äbtissin aus dem Mittelalter. Dabei würden wir uns als Väter von Töchtern durchaus wünschen, dass die Emanzipation endlich mal siegt. Aber: Pustekuchen!
Landläufig wird behauptet, dass Mädchen wenigstens in der Pubertät weiter sind als die Jungen. Doch neue Studien der Erziehungswissenschaftlerin Sabine Jösting zeigen: auch das ist ein Irrtum. Dass Mädchen schneller rechnen und lesen können als die Jungen, und dass sie ihre körperlichen Reize früher einsetzen, ist eine uralte evolutionäre Routine. Eher ein historisch angelegter „Lernprozess“ als ein emanzipatorischer Fortschritt. Jösting erklärt, dass Mädchen sich deshalb schneller entwickeln, weil sie schon in der Jugend darauf getrimmt werden, Partner zu suchen und ihre Adaptionsfähigkeiten zu entwickeln, während die Jungen länger unter sich bleiben, um noch ein wenig ihre Dominanzsstrukturen im Spiel zu trainieren.
Rein Küchenpsychologisch liegt hier der Knackpunkt: Die Emanzipation ist eben noch nicht in den Evolutionsprozess der Frauen vorgedrungen, die Mädchen entwickeln sich noch immer, als würden sie sich den Machtstrukturen der Jungen am Ende unterordnen wollen – um so größter wird das Erwachen und der Zwiespalt, wenn sie erwachsen werden und feststellen, dass sie in ihrer Jugend die Grundlagen gelegt haben, gecremten Kerlen zu gehorchen.
Nun ist es unmöglich, in archaische und naturgegebene Evolutionsprozesse einzugreifen. Ebenso absurd wäre es, generationenlang abzuwarten, bis sich die Frauen endlich weiter entwickeln, wie sie es sich wünschen. Uns bleibt nichts anderes übrig, als uns unserer Natur zu stellen, oder sie Schritt für Schritt gemeinsam zu verändern.
Und, ja, Frau Berg, wir Männer haben längst die Leerstellen eingenommen, die Ihr Frauen auf Euren Abwegen hinterlassen habt: Wir kümmern uns um unsere Gesundheit und um unsere Körper, wir nehmen gern Elternzeit, wir haben die Hausarbeit entdeckt und den Spaß am Kochen entwickelt. Aber wir betrügen die Evolution dabei nicht – wir machen es einfach, weil es uns Spaß macht. Und wir lieben Euch, weil wir gar nicht anders können. Und wir sagen es auch so. Vielleicht auch deshalb, weil Ihr so herrlich unvollkommen seid!
AXEL BRÜGGEMANN
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