Selten war der „Grüne Hügel“ so Hauptstadt wie in diesen Tagen. Sebastian Baumgartens „Tannhäuser“ wäre lieber an der Volksbühne geblieben.
Wenn in Berlin Feierabend ist, zieht die Hauptstadt weiter nach Bayreuth. Griechenland: notdürftig gerettet. Koalitionsstreit: vorerst begraben. Politiker, Wirtschaftslenker und Showstars haben das Regierungsviertel verlassen. Angela Merkel und Guido Westerwelle sitzen einträchtig auf den unbequemen Holzbänken im Bayreuther Festspielhaus, bevor sie an ihre Urlaubsorte reisen. Das Wagner Walhall auf dem Grünen Hügel ist traditionell so etwas wie der erste Ferien-Stopp der Berliner Republik.
Und so viel Berlin wie dieses Jahr war Bayreuth selten! Kein Wunder: Festspielleiterin Katharina Wagner liebt die Hauptstadt, nutzt jede Sekunde, um in Schöneberg zu sein. Und nun holt sie die Berliner Regie-Recken – einen nach dem anderen – nach Franken. Wer in Bayreuth internationale Wagner-Arbeit erwartet, bekommt in diesen Jahren eher Hauptstadt-Kopf-Kino zu sehen.
Der Regisseur Sebastian Baumgarten – jung, quedenkend, Komische-Oper-Star – sitzt in der Kantine des Festspielhauses, während sein „Tannhäuser“ über die Bühne geht. Die kühle Stimmung der Premieren-Gäste dringt wie ein Nebel zu ihm durch: „Unverschämt“, „Das ist doch Kopfgewichse“, „Das war das letze Mal.“ Die Bayreuth-Pilger sind in Wallung. Noch ist ihr Unmut ein Pausengeflüster. Bayreuths Oberbürgermeister Michael Hohl versucht seine Gäste im Festspielrestaurant aufzumuntern: „Ich finde es spannend, was da aus Berlin kommt – man muss es mehrmals sehen.“