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Donnerstag, 12. Januar 2012

Mit Castorf in der Wein-Wahrheit


Manche Interviews vergisst ein Journalist nie. So ein Gespräch habe ich kürzlich mit Frank Castorf geführt. Im Auftrag des „Cicero“ in  Paris: Welche Ideen hat der Volksbühnen-Held für seinen „Ring“ 2012? Hat das Regietheater überhaupt noch politische Wirkung? Und: Zu welchen Überforderungen ist der Mensch Frank Castorf bei sich selbst bereit, um jene Wahrhaftigkeit seiner Schauspieler zu empfinden, die sie auf der Bühne für ihn zu geben bereit sind?
Weil Castorf in Berlin zu abgelenkt ist und in Paris ein neues Stück einstudierte, besuchte ich ihn in seiner Künstlerwohnung am Montmartre. Doch weil sich in derartigen Fremdenzimmern – auch, wenn dieses durchaus stilvoll eingerichtet war – nicht persönlich reden lässt, zogen wir schnell weiter in eine Kneipe an der Ecke. Hier sollte ich lernen, was Selbstaufgabe, Grenzüberschreitung und Wahrhaftigkeit bedeuten. Und was Frank Castor meint, wenn er ankündigt, Zeit für ein Gespräch haben zu wollen, um sich einlassen zu können.
Ich weiß bis heute nicht, warum die Weißwein-Karaffe den ganzen Abend lang nicht leer wurde. Warum sie immer voll war, egal, wie viel wir getrunken haben. Spätestens nach einer Stunde wurde es zu einer Kraftanstrengung, die Gedanken in geraden Linien zu führen.  Ein Gespräch wie eine Castorf-Inszenierung: fünf Stunden Überforderung - non Stop ...

Mittwoch, 11. Januar 2012

Die Wiener Thielamannitis!

Der österreichische Hype um Christian Thielemann erreicht Pop-Star-Niveau. Mit Anna Netrebko ging die Rechnung auf – aber der Dirigent ist keine Sissi. Schließlich liebt er den König der Aufklärung: Friedrich den Großen. Ein Kommentar anlässlich seines "Ring"-Dirigates im Dezember. 

Wir kennen das von Justin Bieber: Kreischende Girlies, die der Reihe nach in Ohnmacht fallen. Der Pop lebt von der unmittelbaren Kritiklosigkeit der Pickelträger. In Popkonzerten beginnt das große Kreischen schon vor dem Auftritt. Nach Elvis, den Beatles, den Rolling Stones, Michael Jackson und Justin Bieber ist der Hysterie-Virus nun auch bei Christian Thielemann angekommen. Allerdings fallen beim Maestro aus Berlin keine kleinen Mädchen, sondern die gestandene Österreichische Kritiker-Elite in Ohnmacht. Also jene ehrwürdigen Hüter des Musikgrals, die davon ausgehen, dass ihre Meinung mindestens so ernst wie Amfortas Klagerufe genommen werden. Die ehrenwerten Feuilletonisten haben von der Klassik-Kritik auf Kreischmodus umgeschaltet. Sie sitzen mit tränengenässten Augen in der Aufführung der „Götterdämmerung“, haben ihre Ohren auf Sensation gepolt und ihre Federn in Superlativitis getaucht.
Sie feiern den Wiener Musik-Messias Christian Thielemann als „ neuen Karajan“ (Die Presse), der seinen „Wunder-Ring“ (Kurier) dirigiert. Fast scheint es, als wolle die Österreichische Kritikerzunft sich in Thielemanns Leitmotiv-Sonne selber feiern. Als wäre sie bereit, sich von seinem Klangrausch auch den letzten Zweifel aus dem Gehirn pusten zu lassen. Sie kommen in die Oper, wie Richard Wagner sich sein Publikum gewünscht, und Friedrich Nietzsche die Wagnerianer gefürchtet hat: als willenlose Pilger. Als mediale Claque, als champagnisierte Feiermeute, als klangbesoffene Lubhudel-Wort-Erfinder!

Pahuds Friedrich II.


Im Vorfeld zu seiner Friedrich II.-CD habe ich mich mit Emmanuel Pahud über den Flötenkönig unterhalten und seine Gedanken für das Booklet notiert. Hier seine Gedanken zur Macht der Musik.

Wenn sich die Welt verändert, verändert sich auch ihre Musik. Einer der großen Umbrüche, der mich als Flötenspieler besonders interessiert, fand am Hofe Friedrich des Großen statt. Als Kronprinz hatte sein Vater ihm jede schöngeistige Betätigung verboten - besonders das Flötenspiel. Friedrich sollte zum Soldaten erzogen werden. Doch der Junge wehrte sich und nahm heimlich Musikunterreicht. Anders als Friedrich Wilhelm I. war für ihn nicht allein die militärische und ökonomische Macht des Staates entscheidend, sondern auch der Geist des Herrschers und seiner Untertarn. Friedrichs Begeisterung für die Musik sorgte für einen Bruch mit seinem Vater. Sein Flötenlehrer, Johann Joachim Quantz, soll sich einmal sogar im Kleiderschrank versteckt haben, um nicht erkannt zu werden. Für den Kronprinzen war der Staat seines Vaters ein Auslaufmodell – der junge Friedrich wollte ein aufgeklärter, philosophischer und humanistischer Regent werden. Er setzte sich mit dem Sturm und Drang, mit Kant und dem Humanismus auseinander. Ein moderner Mensch mitten in einer Welt des Umbruchs.
Auf dieser CD geht es mir darum, diese Zeit zu begreifen: die unterschiedlichen Einflüsse, die am preußischen Hofe herrschten, die Brüche in der Mode – und die verschiedenen Rollen, die der König, seine Angestellten und Freunde gespielt haben. Es ist eines, Geschichte aus einem Geschichtsbuch zu lernen, Daten, Fakten und Zitate zu einem Gesamtbild zu addieren. Für mich als Musiker ist ein weiterer Schlüssel, um diese historische Epoche zu verstehen, die Musik selbst. Schließlich funktioniert sie ähnlich wie die Sprache. Sie wandelt sich mit ihrer Zeit: neue Vokabeln werden erfunden und die Grammatik erweitert, um ein verändertes Lebensgefühl auszudrücken.

Die Rampensau tritt ab

Ich konnte meinen Ohren nicht glauben, als Thomas Quasthoff vor einigen Tagen ins Berliner Restaurant „Florian“ kam. Er strahlte entspannt – und nach einem kurzen „Hallo“ musste er es sofort loswerden: „Mir geht es gut, weil ich aufhören werde.“ Wie bitte? „Doch, im Ernst“, sagte er. „Ich will mir das nicht mehr antun. Man sollte gehen, wenn es  am schönsten ist.“ Die Kehle mache ihm seit einiger Zeit Probleme, und überhaupt, die David-Garretsche Klassiklandschaft sei nicht mehr auszuhalten. Pop und Kommerz statt Wahrhaftigkeit und Menschlichkeit. Oberfläche statt Tiefe.
Seine Studenten würden sich freuen, sagte Quasthoff. Und er sich auch. Die Lehre, der Nachwuchs – das ist seine neue Welt. Vielleicht noch ein bisschen Jazz.
Heute ist es nun offiziell geworden: Thomas Quasthoff wird nicht mehr Klassik singen. Alle geplanten Konzerte werden abgesagt. Eine persönliche Entscheidung. Ein private Entscheidung nach einigen Tiefschlägen des Lebens. Vor allen Dingen aber: Eine Ehrlichkeit gegenüber der eigenen Stimme und eine Verantwortung gegenüber seinem Publikum, das ihn den einen oder anderen Vokal-Kratzer sicherlich verziehen hätte. Aber Quasthoff will kein Mittelmaß. Nicht bei anderen. Und nicht bei sich selbst.
Seine Entscheidung macht ihn zu einem wirklichen Künstler. Zu jemandem, der seine Stimme den Göttern weiht: Schubert, Schumann, Mozart, Haydn ... Er weiß, dass er ihnen nur Gerecht werden kann, wenn er alles geben kann. Wenn nicht, hält er lieber die Klappe.

Samstag, 29. Januar 2011

Dirk Bach liest aus "Wagners Welt"

Der Moderator und Komiker Dirk Bach hat im Pfalzbau aus “Wagners Welt. Oder wie Deutschland zur Oper wurde” gelesen. Der Kritiker des Mannheimer Morgens schrieb: “Er las Passagen aus dem Buch ‘Wagners Welt Oder wie Deutschland zur Oper wurde’ von Axel Brüggemann sowie Verse aus dem Gedicht-Band ‘Richard Wagners Fahrt ins Glück’ des Satirikers und Zeichners F.W. Bernstein. Beide Autoren zählen Wagners Fehltritte auf, ohne den Meister zu verteufeln. Ihre feinsinnige Ironie und sanfte Satire ehren ganz im Gegenteil den großen Komponisten. Man lacht über Richard Wagners Schwächen und liebt seine Kunst. (…) Bernstein und Brüggemann lächeln und stänkern, ohne den Meister und dessen Musik zu verdammen. Die entthronen die Götter und verkumpeln die glattesten Wagnerianer. Für sie ist das Bayreuther Festspielhaus keine Opernkirche, sondern ein Opernhaus für alle Menschen.” Die ganze Kritik hier.

Dienstag, 25. Januar 2011

Bernd Eichinger ist tot

Der Regisseur Bernd Eichinger ist tot. Ich habe ihn vor einigen Jahren für die "Welt am Sonntag" getroffen - wir haben uns über seine erste Operninszenierung, den Parsifal an der Staatsoper in Berlin, unterhalten.
Hier - in Erinnerung an einen großen Mann - das Gespräch.

Herr Eichinger, wir sitzen auf einem abgesessenen Sofa im Kasino der Staatsoper: Letzte Woche waren einige Ihrer Hauptdarsteller krank, bei den Proben ist der Haupt-Computer ausgefallen, und dauernd wird der Probenplan geändert. Ist das Theater aufregender als Hollywood?
Bernd Eichinger: Es ist schrecklich und wunderbar zugleich. Die Zeit rast. Ich habe heute nicht einmal geschafft, meine Mutter anzurufen.
Warum lassen Sie sich als erfolgreicher Filmemacher auf das eher archaische Abenteuer Oper ein?
Eichinger: Eben weil es ein Abenteuer ist. Ich wollte dieses Ereignis einfach in meinem Leben haben: Die Arbeit mit Musik, an einem festen Text, die Arbeit mit der Bühne, mit den Sängern. Das Abenteuer der reduzierten Mittel und der Live-Aufführung, in der keine nachträglichen Schnitte mehr möglich sind. Hier auf unserer Theater-Sofaecke in der Oper bin ich wieder ein Niemand. Mich erinnert das ein bißchen an 1990, als ich in die USA gegangen bin. In Deutschland war ich damals gewohnt, am Telefon zu sagen: „Hier ist Bernd Eichinger“ und konnte in Minuten mit jedem reden, mit dem ich sprechen wollte. In den USA mußte ich bei jedem Anruf erst einmal meinen Namen buchstabieren. Inzwischen kenne ich Amerika einigermaßen, und die Oper ist für einige Wochen meine neue, unbekannte Welt, in der ich viel entdecken will.

Montag, 3. Januar 2011

Anna Prohaska über den Gesang

Sie ist eine der besten Soprane der Welt - ihre Karriere hat sie klug und Schritt für Schritt aufgebaut. Nun hat Anna Prohaska unter Claudio Abbado Alban Bergs Lulu Suite gesungen. Ein Psychodrama! 
Kurz nach der Aufführung habe ich sie getroffen, um mit ihr über die Stimme, die Psyche und Gänsehaut zu reden. Wie funktioniert das, dass wir durch eine Stimme Gefühle bekommen? Wo ist die Sängerin, wenn sie singt? Und was bewegt sie, bevor sie in einen neuen Charakter schlüpft? Macht es einen Unterschied, mit welchem Dirigenten man auftritt? Und wie wählt man seine Rollen aus? Überhaupt: ist die Oper nicht eine Kunst zum wahnsinnig werden?
Das Ergebnis ist unten zu sehen.

Mittwoch, 29. Dezember 2010

Silvesterporträt - Christian Thielemann

Silvesterstreich von Thielemann
Hier der ungekürzte Text über Christian Thielemann, der in verschiedenen Zeitungen erschienen ist.
Dirigenten sind Meister des Zeitgeistes. Wilhelm Furtwängler rang während der Nazi-Herrschaft um gewaltige Töne, Herbert von Karajan trimmte die goldenen Klassik-Zeiten majästetisch auf Hochglanz, und Simon Rattle stürmte mit der Musik in die Postmoderne. Sie alle haben den Soundtrack ihrer Gegenwart gestaltet und das Bild des Dirigenten der Gesellschaft angepasst. So wie aus politischen Führern, charismatische Macher und Schlipsträger in Nadelstreifen wurden, verwandelte sich auch der Dirigent vom Maestro zum basisdemokratische Kumpel. Inzwischen sind die meisten Taktschläger perfekte Marketingfiguren und geben sich als Partner ihrer Musiker. In ihrem stromlinienförmigen Auftreten gleichen sie unseren Politikern, unseren Fernsehmoderatoren und unseren Sportlern. Nur einer von ihnen scheint irgendwie aus der Zeit gefallen zu sein: Christian Thielemann schwärmt seit Jahren er für Friedrich den Großen und predigt preußische Tugenden. Für ihn ist Musik keine Gaudi, sondern das Ergebnis von Fleiß, Präzision und harter Arbeit.
Selbst als andere Dirigenten begonnen haben, ihre Modernität zu beweisen, indem sie Gegenwartskomponisten in die Konzertsäle holten und das Barock mit historischen Instrumenten neu definierten, bliebt Thielemann den klassisch-romantischen Titanen treu. Er wollte Bruckner, Brahms und Beethoven nicht demontieren, sie nicht – wie es modern war – ironisieren und das Pathos der Lächerlichkeit preisgeben. Wer grub sich immer tiefer und tiefer in ihre Klangerde hinein. Während andere Dirigenten zu Kommunikatoren wurden, um ein neues Publikum in Kreuzberg buhlten, oder gar den Weltfrieden durch Musik im Auge hatten, ging es Christian Thielemann immer nur um Ritardandi, Generalpausen und darum, wie man harmonische Brüche kitten kann. Kurz: um die Musik an sich.

Mittwoch, 15. Dezember 2010

"Ich will am Klavier sterben"

Hélène Grimaud
Hélène Grimaud ist eine der besten Klavierspielerinnen - seit einigen Monaten wohnt sie in ihrer Wahlheimat Luzern. Ein Tumor hat sie aus dem Leben geworfen. Nun kommt sie zurück. Hier spricht die Pianistin zum ersten Mal über ihre Krankheit, über ihre Verzweiflung und über den Tod.
  
Frau Grimaud, niemand weiß, warum Sie im letzten halben Jahr Ihre Konzerteabgesagt haben und von der Bühne verschwunden sind. Was war der Grund?

Eigentlich hatte ich für dieses Jahr eine Auszeit geplant, weil ich gespürt habe, dass ich neue Gedanken und neue Inspiration brauche. Aber dann hat mir meine Gesundheit einen Strich durch die Rechnung gemacht. Bei mir wurde ein Bauchhöhlentumor diagnostiziert. Das ist eigentlich ein kleiner Eingriff, aber nach der Kernspintomographie haben die Ärzte gesagt, dass es ernst sei. Und so wurden aus der kleinen Behandlung vier Monate, in denen ich in Behandlung war und Medikamente schlucken musste. Mir war dauernd schlecht, ich hatte unerträglich Schmerzen und konnte nichts dagegen tun.



Montag, 13. Dezember 2010

"Ich habe eine dunkle Seele"

Der Tenor Vittorio Grigolo ist herrlich altmodisch: er glaubt an ewige Treue, an die Schönheit der Nacktheit – und daran, dass die Oper uns besser macht.
Er ist der neue Star der Oper. Schon lange hat keiner mehr so echt gesungen wie der Tenor Vittorio Grigolo. In seiner Freizeit schraubt er Autos zusammen oder  kümmert sich um seine Familie. Aber auf der Bühne zeigt er seine dunkle Seele. Ein Gespräch über die Wahrheit der Oper – und darüber, wie sie unser Leben verändert.

Herr Grigolo, es ist 11 Uhr am Morgen – gestern hatten Sie eine Aufführung, und Sie sind gerade aufgestanden. Ist das Leben eines Opernsängers anstrengend?

Ja – aber auch sehr erfüllend. Ich muss allerdings zugeben, dass das Bett am Morgen nach einem langen Opernabend sehr verführerisch ist.