Manche Interviews vergisst ein Journalist nie. So ein Gespräch habe ich kürzlich mit Frank Castorf geführt. Im Auftrag des „Cicero“ in Paris: Welche Ideen hat der Volksbühnen-Held für seinen „Ring“ 2012? Hat das Regietheater überhaupt noch politische Wirkung? Und: Zu welchen Überforderungen ist der Mensch Frank Castorf bei sich selbst bereit, um jene Wahrhaftigkeit seiner Schauspieler zu empfinden, die sie auf der Bühne für ihn zu geben bereit sind?
Weil Castorf in Berlin zu abgelenkt ist und in Paris ein neues Stück einstudierte, besuchte ich ihn in seiner Künstlerwohnung am Montmartre. Doch weil sich in derartigen Fremdenzimmern – auch, wenn dieses durchaus stilvoll eingerichtet war – nicht persönlich reden lässt, zogen wir schnell weiter in eine Kneipe an der Ecke. Hier sollte ich lernen, was Selbstaufgabe, Grenzüberschreitung und Wahrhaftigkeit bedeuten. Und was Frank Castor meint, wenn er ankündigt, Zeit für ein Gespräch haben zu wollen, um sich einlassen zu können.
Ich weiß bis heute nicht, warum die Weißwein-Karaffe den ganzen Abend lang nicht leer wurde. Warum sie immer voll war, egal, wie viel wir getrunken haben. Spätestens nach einer Stunde wurde es zu einer Kraftanstrengung, die Gedanken in geraden Linien zu führen. Ein Gespräch wie eine Castorf-Inszenierung: fünf Stunden Überforderung - non Stop ...