Montag, 25. März 2013

Die Riemann Heuchelei

Jetzt wird Katja Riemann also zur Revolutionärin im Kampf gegen den deutschen Fernseh-Fluffi-Talk stilisiert. Sie, die mit ausgestellter schlechter Laune, blonden Locken und merkwürdig verschränkten Armen emotionale Wellen im seichten Gewässer des Vorabendtalks schlägt. Die Zicke als Medien-Marianne auf den Barrikaden für Freiheit, Gesprächskultur und Künstler-Souveränität! Und gleichzeitig werden all jene, die noch am Tag nach dem NDR-Interview auf dem roten DAS-Sofa über die schlechten Manieren der Schauspielerin hergezogen haben, heute als frustrierter Mob, rammdösige Fernseh-Weggucker und popelige Spießer geoutet, die am Nachmittag nichts anderes zu tun haben als Katja Riemann anzuschauen und dabei gar nicht merken, dass sie selbst unter ihrem eigenen Niveau unterhalten, nein: verdummt werden!

Profilierte Medienmacher stellen sich seit einer Woche penetrant vor die schlecht gelaunte Schauspielerin und jubeln, dass endlich mal jemand den Mut aufgebracht habe, nicht mitzuspielen, wenn das Vorabendprogramm dussellig dahinsendet. Kurzerhand wird Moderator Hinnerk Baumgarten zum Deppen der Nation gestempelt, der vorher höchstens mit Bäumen gesprochen habe (Sibylle Berg) oder sich lieber mit seinen Jungs auf die Harley schwingt, um durch das nordische Flachland zu jagen!

Sibylle Berg bringt es auf den Punkt, dass der Fernseh-Pöbel ja irgendjemanden hassen muss, den er hassen kann, weil er selbst nicht in der Lage ist, sich zu lieben. Else Buschheuer postet auf Facebook, dass auch sie schon bei DAS zu Gast war und die dortigen Umgangsformen ebenfalls unerträglich fand. Und Medien-Papst Stefan Niggemeier erinnert eine Woche später im SPIEGEL noch einmal daran, dass er es war, der die Lawine in Rollen gebracht, den Kommunikationsunfall ausgegraben und den eigentlichen Crash - das Riemann-Bashing - aber nicht gewollt habe!

Billiger ist gutes Gewissen kaum zu haben. Baumann ist der Idiot, Riemann die Heldin. Aber saßen die beiden nicht freiwillig auf dem gleichen Sofa?

Ein wesentlicher Aspekt der ganzen Sache gerät vollkommen aus dem Blick: Niemand hat Riemann gezwungen, in die Sendung (deren Niveau spätestens nach dem Jenny-Elvers-Suff-Interview) bekannt war, zu kommen. Sibylle Berg mutmaßt irgendetwas über „vertragliche Verpflichtungen“ und baut eine Verschwörungstheorie auf, Else Buschheuer erklärt nicht, warum sie selbst in der Sendung so unerträglich freundlich geblieben ist, und Stefan Niggemeier scheint hauptsächlich froh darüber zu sein, dass er es war, der dieses Stückchen Fernsehen, das sich ansonsten versendet hätte, auf Youtube gestellt hat. Katja Riemann hat ihre Homepage derweil kurzerhand geschlossen.

Ein Gesetz der Medienöffentlichkeit, das alle, die in den Medien zu Hause sind,  kennen sollten, ist: Ich muss mir vorher überlegen, wo ich meinen Mund aufmache und darf mich nachher nicht darüber wundern, für mein eigenes Handeln öffentlich auch kritisiert zu werden. Oder aber – im Falle Riemann – sich darüber klar zu sein, den öffentlichen Affront auch öffentlich verteidigen und auszuhalten zu müssen. Das Internet kennt eben nicht nur Candy- sondern auch Shitstürme!

Katja Riemanns Auftritt im Nachhinein als revolutionär zu feiern, DAS und seinen Moderatoren erst nach dem GAU anzufeinden, ist bigott und heuchlerisch! Und vor allen Dingen lenkt es vom eigentlichen Medienphänomen ab: Nicht nur der Interviewer übernimmt die Verantwortung für das Gespräch, sondern auch der Interviewte. Das ist ähnlich wie in der Politik: Wenn die CDU eine Koalition mit der FDP eingeht, muss sie auch zu den gemeinsamen Regierungsergebnissen stehen. Oder anders: Wenn ein Prominenter sich auf das rote Sofa setzt, um Bücher oder Filme zu verkaufen, muss er auch auf das Niveau gefasst sein, das ihn dort erwartet. Wer einen Blog oder eine Künstlerseite mit öffentlichen Kommentaren zulässt (so wie Riemann), muss auch damit leben, dass das Internet ein dialogisches Medium ist – und dass nicht nur eine anonyme, virtuelle Masse willkürlich reagiert, sondern dass die Reaktionen ihren Ursprung meist im eigenen, öffentlichen Verhalten haben! Zu dem kann man stehen und es verteidigen – aber den Dialog einfach einzustellen, wenn es unangenehm wird, ist feige!

Wenn wir diese Erkenntnisse aus der Causa Riemann ziehen, könnten wir uns die Erhebung pseudo-intellektueller Medienschaffender und Künstler über das Seichtfernsehen ersparen – sie müssten nur lernen, in Zukunft nicht zu glauben, es für ihre Zwecke benutzen zu können. Darin unterscheidet sich das Vorabendprogramm der ARD am Ende eben nicht vom allseits bekannten Medien-Fahrstuhl der BILD: Wer auf dem roten Sofa Publikum für seinen Film gewinnen will, muss damit rechnen, dass das rote Sofa ihn durch seine Dummheit verschlingt.

AXEL BRÜGGEMANN

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